Belginum Hunsrück

Vicus Belginum

Belginum (bei Wederath im Hunsrück) liegt an der damaligen Verwaltungsgrenze zwischen Gallia belgica und Germania superior. Bewohner: vicani Belginates. Der Ort liegt heute wie damals an der Hauptverkehrsstraße über den Hunsrück (B 327) und an der Straßenkreuzung vom Rhein her über den Hunsrück. Von Mainz nach Trier, über die Moselquerung in die Eifel, nach Antunnacum/Andernach und Colonia/Köln. Wie die Hügelgräber am Belginum bezeugen, gab es hier und in der Umgebung schon vorher keltische Besiedlung.



Die genaue Lage Belginums ist in spätantiken Strassenkarten verzeichnet und durch den Fund einer steinernen Weiheinschrift vor Ort an die keltisch-römische Göttin Epona bekannt:

"Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses und für die Göttin Epona haben die Bewohner des Vicus Belginum (die Weihung) errichtet. Verantwortlich ausgeführt von Gaius Vellorius Sacrillius, Schatzmeister (der Gemeinde)"





Während der römischen Landnahme wurde um 50 n. Chr. hier ein Kastell installiert, wohl um die Eroberung Galliens bis zum Rhein zu decken. Wie lange das Kastell bestand und wie es belegt war, ließ sich wegen der starken Erosion im Fundgebiet nicht mehr ermitteln. An der Wegkreuzung entstand ein römischer Vicus, der sich etwa 500 m lang die Straße entlang zog.


Rekonstruktionszeichnung aus dem Trierer Landesmuseum

Wie eigentlich alle Vici waren die Häuser auf Steinfundamenten errichtet, mit Lehmfachwerk aufgebaut und verputzt, ca. 8-12 m breit zur Straße hin ausgerichtet und etwa 30-40 m lang. Im Erdgeschoss befanden sich die Werkstätten, Kaufläden und Lagerräume, im ersten Stock die Wohnräume.
Vermutlich gab es im oder am rückwärtigen Hausteil Hof, Hühnerställe, und Scheunen, Schweinekoben, Kuhställe und Gärten, bis die Grundstücke in Felder übergingen. Der Vicus war mit Brunnen mit Wasserpumpen, Brunnenkran, Zisternen und Abwasserkanälen ausgerüstet.

An der stark genutzten Hauptstraße entstanden Herbergen, Tavernen und Handwerksbetriebe, Handel und Wandel. Wagner, Tischler, Zimmerleute boten ihre Waren und Reparaturdienste an. An Markttagen war der Vicus Belginum sicher die Zentrale des regionalen Handels für das bäuerliche Hinterland.

Wahrscheinlich gab es vor Ort einen Militärposten (Benefiziarstation), der den Ort absicherte und den militärischen Postverkehr betrieb. Auf jeden Fall war der Ort DER Kreuzungspunkt zwischen Mainz, Trier und Köln, der die Möglichkeit zur Übernachtung und zum Pferdewechsel bot. Wie wichtig er war, wird dadurch deutlich, dass der Ort auf der so genannten Tabula Peutingeriana, einer mittelalterlichen Kopie einer römischen Straßenkarte, verzeichnet ist.


Die Widmung des Theatererbauers (Trier LandesMus,  in der er nicht nur die Götter preist, sondern sich selbst auch geschickt der Nachwelt in Erinnerung bringt.

Text:

In horem domus divinae
deo Cretoni et
Genio plagi ac...
Publius Capitonius...
memoriam
Capitoni...
patroni
proscaenium...

Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses
für den Gott Creto und für den Schutzgott des Gaues Ac...
hat Publius Capitonius
zur Pflege der Erinnerung an Capitonius, den Patron
ein Theater gebaut

Belginum war wohl durch Militär besetzt, um den Militärpostverkehr und die Truppenversorgung und -bewegungen abzusichern. Im nordöstlichen Straßenbereich war Belginum wahrscheinlich bis Ende des 4. Jh. in 2-3 Häusern weiter bewohnt. Man kann sich vorstellen, dass diese vielleicht 20-50 Bewohner unter der Deckung einer Benefiziarstation weiter ihrer Landwirtschaft und Viehzucht nachgingen.

Ab 275 beginnen die Überfälle und Verwüstungen durch Germanen. Gegen 350 n. Chr. bricht die Belegung des Belginum-Friedhofes ab. Die meisten Einwohner sind wohl ermordet worden oder haben ihre zerstörten Höfe aufgegeben und sind in die gesicherten Orte abgewandert. Eine villa rustica wurde in Wederath Hinterm-Klop gefunden, weitere in Horath und Weitersbach, etwas nördlich der Siedlung.

Es lassen sich aber noch einzelne Besiedlungsspuren späterer Zeit in zwei Fundstellen des Vicus finden. Der westliche Tempelbezirk wurde - den Funden nach – ebenfalls noch besucht, so dass man annehmen kann, dass auch nach der Katastrophenzeit ab 275 n Chr. noch einige standhafte Familien hier ihr Auskommen gefunden haben.

Wie wichtig und besucht der Ort gewesen sein muss, bezeugen die vier Tempelbezirke westlich und östlich des Vicusrandes, in denen die Einwohner und Reisenden ihre Opfergaben und Gebete an Weihealtären und Brandopferstätten loswerden konnten. Und im westlichen Teil, nahe des Tempelbezirkes 2, der auch ein Kulttheater mit Bühne beinhaltete, ist eine Nutzung bis Ende des 4. Jahrhunderts nachgewiesen. Es gab insgesamt 4 Tempelbezirke, 3 am westlichen, 1 am östlichen Ende des Vicus. Die Tempelbauten waren schon zum Ende des 3. Jahrhunderts zerstört, wahrscheinlich durch die Germaneneinfälle ab 275 n Chr. Dennoch wurden die Orte aufgesucht und weiter dort geopfert.

Entgegen der gerne postulierten Meinung der katholischen Kirche war die Landbevölkerung bis weit ins 5. Jahrhundert (wahrscheinlich sogar bis ins 8. JH) nicht durchgehend christianisiert. Die Bevölkerung hielt überwiegend an ihren keltisch-römischen Götterkombinationen und Kulten fest, die die Verehrung von Naturgottheiten an Quellen und Gewässern, Felsformationen, Bäumen und anderen auffälligen Landmarken beinhaltete. Epona, Merkur und Rosmertha wurden, u. a. , wahrscheinlich als Beschützer von Handel, Wandel und Reisenden hier verehrt.

 


Fund einer Venusstatue in der Nähe bei Hitzerath.


  

Die Fernstrasse führt mitten durch die Nekropole: Die Hügelgräber stammen noch aus keltischer Besiedlungszeit. Es gab reiche, römische stein- oder mauergefasste Grabbezirke, später große Grabmale, menhirähnliche Quarzite, Grabplatten und  Steinmonumente, die vom Reichtum und Einflusss der Familien künden und Szenen aus dem Leben und Arbeiten der jeweiligen Familien zeigen.

Am Gräberfeld 500 m östlich der Siedlung („extra muros“ = außerhalb des Mauern des Vicus) an der B327 lässt sich allerdings erkennen, dass die Christianisierung langsam fortschritt. Denn ab dem 4. Jahrhundert gab es keine Brandbestattungen mehr, sondern Körpergräber.


 
Die Eitelkeit bis ins Grab: Klappbronzespiegel


        
Aussicht vom Belginum-Museum über den Hunsrück Richtung Mosel


Ausgrabungsplan


Übersichtsplan mit vergrößertem Tempelbezirk


Rekonstruktionszeichung der Hauptstraße


Tempelbezirk und rechts die Rundung des Theaters


Hausgrundriss


Rekonstruktionszeichung vom Heiligtum in Hochscheid

Der keltisch-römische Friedhof von Belginum wurde zwischen dem 6. JHvC bis ins 4. JHnC genutzt, also über 1000 Jahre. 2500 Gräber sind bislang auf 4,5 ha bekannt. Durch den langen Nutzungszeitraum ergibt sich ein Einblick in die unterschiedlichen Bestattungsformen und den Wandel von keltischen zu römischen Begräbnisritualen. Die Blütezeit, der wirtschaftliche und kulturelle Wandel und die Änderungen in den religiösen Vorstellungen zeigen sich über die Art der Bestattungen und die Grabbeigaben.



Grabbeigaben aus einem keltischen Kriegergrab aus dem 2. JHvC

An dem 94 cm langen Schwert wurden die Lanzenspitze und das Messer, wohl aus rituellen Gründen, unbrauchbar gemacht und der Schildbuckel zerhackt. Die Ringe gehören zum Schwertgehänge. Die Kette einer Kesselaufhängung sind wohl ein Hinweis auf das Festgelage, das zum Ritual einer Bestattung gehörte.

(94 cm Schwert... da muss jemand wohl ein Kräftevermögen wie Conan der Barbar gehabt haben, um ein fast 1 m langes und so ca. 20 Kg schweres Schwert im Kampf bewegen zu können. Ich erinnere mich da an Dolph Lundgren, der bei den Dreharbeiten zu "He-Man" trotz fast 2 m Körpergröße und 127 Kg muskulösem Kampfgewicht erhebliche Mühe hatte, solch ein Schwert zu bewegen.)




Grabbeigabe einer Frau: Kette aus tiefblauen Glasperlen, aufgereiht auf Schafswollzwirn. In den Grabbeigaben fanden sich auch ein violettes Glasarmband und Ringe.

In den Grabbeigaben eines älteren Mannes, dessen Leichenbrand in einer Urne bestattet wurde, fanden sich folgende Beigaben: Rasiermesser in einem Stoffetui, Schere, und Messerchen, Schöpfkelle und Fleischspieß, eine schwarze Flasche, die auf einer Drehscheibe getöpfert wurde. Keine Waffenbeigaben.




In Belginum sind in keltischen und römischen Urnengräbern zahlreiche Mühlsteinreste aus Mayener Basalt in den Grabgärten gefunden worden. Im griechischen Totenritual wurde Mehl vermahlen. Und die Kelten und Römer verstreuten Getreidekörner während einer Einäscherung. Waren Getreide, Mehl und Mahlen Teil eines Fruchtbarkeitskultes oder Wiederauferstehungsrituales?
Bild- und Textnachweis: sämtliche Fotos sind entweder im Museum Belginum von mir fotografiert oder aus der Dokumentation von Cordie/Teegen "Belginum und der ländliche Raum in der Spätantike" oder "Schriften des Archäologieparks Belginum Nr. 4" entnommen worden. .
Diese Seite soll als Werbung für das Belginum-Museum verstanden werden, das unbedingt einen Besuch wert ist.